Donnerstag, Dezember 15, 2005

Augengöttin


Einst besaß die ägyptische Göttin Maat, die Göttin der Wahrheit und des Rechts, das alles sehende Auge. Die Muttersilbe Maa bedeutet "sehen", das entsprechende Hieroglyphenzeichen war ein Auge.
Starr blickende Bilder der neolithischen "Augen-Göttin" sind in ganz Mesopotamien gefunden worden. In Syrien war sie als die Göttin Mari bekannt, deren riesige Augen die Seelen der Menschen suchten.

Das geheime Wissen der Frauen, Lexikon von B.G.Walker, DTV 1997

In vielen alten Kulturen war die Augengöttin ein Symbol für die Führungskraft der Mutter Natur. In Abbildungen hält sie oft ein kleines "Inneres Kind" in den Armen. In ihrem schützenden Aspekt ist sie zugleich "Seherin" und Geschichtenerzählerin, Zeugin und Führerin.

Dienstag, Dezember 13, 2005

Das einäugige Entlein

Es waren einmal ein Mann und eine Frau. Die gingen in den Wald nach Pilzen und fanden ein Entlein - das aber war einäugig. Sie nahmen es und brachten es heim.

Am nächsten Morgen standen sie auf und gingen wieder Pilze suchen, dem Entlein aber machten sie ein Nestchen aus Federn.

Sie waren kaum weggegangen, da verwandelte sich das Entlein in ein Mägdelein, fegte die Stube, holte Wasser...

...und buk Piroggen

Der Mann und die Frau kommen heim und wundern sich:

„Wer hat denn nur hier so schön unsere Wirtschaft versorgt?“

Die Nachbarn aber erzählten ihnen:

„Ein einäugiges Mädchen hat für euch Wasser getragen...“

Der Mann und die Frau gingen am nächsten Morgen wieder fort, versteckten sich aber heimlich in der Vorratskammer.

Das Entlein verwandelte sich wieder in ein Mägdelein und ging Wasser holen.

Der Mann und die Frau aber sprangen hervor und warfen die Federn des Entleins in den Ofen. Die brannten lichterloh.

Und als das Mägdelein zurückkam, fing es bitterlich zu weinen an. Sie bat den Mann und die Frau um eine goldene Spindel, setzte sich auf die Treppe und spann Flachs.

Da zieht eine Schar Wildgänse vorbei. Sie ruft ihnen zu:

„Ihr liebwerten Gänse mein, schenkt mir doch jede ein Federlein!“

Die Gänse aber antworten:

„Andere kommen geflogen, die schenken dir welche.

Wieder kommt eine Schar Gänse gezogen.

„Ihr liebwerten Gänse mein, schenkt mir doch jede ein Federlein!“

„Andere kommen geflogen, die schenken dir welche.“

Da kam eine einzelne Gans geflogen und warf Federn herab für das Mägdelein.

Da wurde dieses wieder zum Entlein und flog davon.

Der Mann und die Frau weinten wohl ein Weilchen, doch konnten sie das Geschehene nicht ungeschen machen.

Montag, Dezember 05, 2005

Frau Holla und der treue Eckart

In Thüringen liegt ein Dorf namens Schwarza, da zog Weihnachten Frau Holla vorüber, und vorn im Haufen ging der treue Eckart und warnte die begegneten Leute, aus dem Wege zu weichen, dass ihnen kein Leid widerfahre. Ein paar Bauernknaben hatten gerade Bier in der Schenke geholt, das sie nach Haus tragen wollten, als der Zug erschien, dem sie zusahen. Die Gespenster nahmen aber die ganze breite Straße ein, da wichen die Dorfjungen mit ihren Kannen abseits in eine Ecke; bald nahten sich unterschiedene Weiber aus der Rotte, nahmen die Kannen und tranken. Die Knaben schwiegen aus Furcht stille, wussten doch nicht, wie sie ihnen zu Haus tun sollten, wenn sie mit leeren Krügen kommen würden. Endlich trat der treue Eckart herbei und sagte: »Das riet euch Gott, dass ihr kein Wörtchen gesprochen habt, sonst wären euch eure Hälse umgedreht worden; gehet nun flugs heim und sagt keinem Menschen etwas von der Geschichte, so werden eure Kannen immer voll Bier sein und wird ihnen nie gebrechen.« Dieses taten die Knaben, und es war so, die Kannen wurden niemals leer, und drei Tage nahmen sie das Wort in Acht. Endlich aber konnten sie's nicht länger bergen, sondern erzählten ihren Eltern von der Sache, da war es aus, und die Krüglein versiegten. Andere sagten, es sei dies nicht eben zu Weihnacht geschehen, sondern auf eine andere Zeit.

Sonntag, Dezember 04, 2005

Frau Holla und der Bauer

Frau Holla zog einmal aus, begegnete ihr ein Bauer mit der Axt. Da redete sie ihn mit den Worten an, dass er ihr den Wagen verkeilen oder verschlagen sollte. Der Taglöhner tat, wie sie ihm hieß, und als die Arbeit verrichtet war, sprach sie: »Raff die Späne auf und nimm sie zum Trinkgeld mit; « drauf fuhr sie ihres Weges. Dem Manne kamen die Späne vergeblich und unnütz vor, darum ließ er sie meistenteils liegen, bloß ein Stück oder drei nahm er für die Langeweile mit. Wie er nach Hause kam und in den Sack griff, waren die Späne eitel Gold. Alsbald kehrte er um, noch die andern zu holen, die er liegengelassen; sosehr er suchte, so war es doch zu spät und nichts mehr vorhanden.